Bevor auf das Thema eingegangen wird, ist es wichtig, die zentralen Begriffe zu klären, um Klarheit und Verständnis zu schaffen. Was versteht man unter dem Begriff „digitaler Raum“? Was verbindet man mit Gewalt, und Rassismus oder rassistischen Anfeindungen?
Digitaler Raum lässt sich folgendermaßen beschreiben: Er ist nur über spezifische Werkzeuge zugänglich, nämlich technische Geräte wie Handys, Tablets oder Computer. Diese Geräte ermöglichen den Zugang zu digitalen Plattformen und Diensten, die den digitalen Raum ausmachen. Dazu zählen Soziale Medien wie Facebook, Instagram, TikTok und Twitter, Messenger-Dienste, Foren, Chats, Blogs, Webseiten sowie Videoportale wie YouTube. Über diese Plattformen können Inhalte verbreitet und Zielpersonen oder -gruppen erreicht werden.
Im Wörterbuch Langenscheidt verweist der Begriff Gewalt auf das Benutzen von körperlicher Kraft, Macht, Drohungen usw. mit dem Ziel einer Person Schaden anzurichten oder diese zu etwas zu zwingen. Dennoch ist Gewalt nicht nur die sichtbare Tat, sondern oft auch die stille Struktur, die Ungerechtigkeit ermöglicht. Physische Gewalt hinterlässt Narben auf der Haut, psychische auf der Seele. Strukturelle Gewalt wirkt unauffällig, indem sie durch soziale Ungleichheit Chancen verwehrt. Symbolische Gewalt zeigt sich in scheinbar harmlosen Normen, die Macht sichern. Verbale und sexuelle Gewalt greifen die Würde an, oft unsichtbar für Außenstehende. All diese Formen sind miteinander verwoben und zeigen, dass Gewalt mehr ist als bloßer Konflikt – sie ist Ausdruck von Macht und Kontrolle, der es entgegenzutreten gilt.
Rassismus ist die Herabwürdigung oder Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Kultur, Sprache, Haare oder ihres Namens. Er zeigt sich auf individueller Ebene, etwa durch Beleidigungen oder Diskriminierung oder Benachteiligung (Alltagsrassismus), sowie auf struktureller Ebene, eingebettet in Institutionen, die ungleichen Zugang zum Beispiel zu Bildung, Arbeit oder Gesundheitsversorgung fördern. Kultureller Rassismus wertet Traditionen, Religionen oder Lebensweisen bestimmter Gruppen ab und verstärkt so Vorurteile und Machtungleichgewichte. Diese Formen des Rassismus sind miteinander verknüpft und schaffen ein System, das Menschenrechte und Gleichheit untergräbt.
Digitale Gewalt ist diejenige Gewaltform, die im Internet bzw. in den digitalen Räumen erfolgt. Rassismus im Internet bzw. im digitalen Raum referieren sich mithin auf solche Anfeindungen, welche durch Rassenideologien motiviert sind. Die Täter*innen greifen ihre Opfer auf unterschiedliche Art und Weise im Internet an. Damit wird von unterschiedlichen Formen von Rassismus bzw. digitaler Gewalt gesprochen.
Rassismus im digitalen Raum äußert sich in verschiedenen Formen, die sowohl individuell als auch kollektiv schädigend wirken können. Eine der häufigsten Erscheinungen ist Cybermobbing, bei der Personen absichtlich und wiederholt beleidigt, bedroht oder bloßgestellt werden. Solche Angriffe geschehen meist öffentlich und zielen darauf ab, das Opfer zu demütigen oder einzuschüchtern. Ebenfalls verbreitet ist Hate Speech (Hassrede), die sich in hasserfüllten Aussagen gegen Einzelpersonen oder Gruppen äußert. Diese Form von Diskriminierung propagiert oder rechtfertigt häufig Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus und kann dazu anstiften, Ausgrenzung und Benachteiligung zu verstärken.
Eine weitere Form ist der sogenannte Shitstorm, bei dem eine regelrechte Flut von negativen, oft beleidigenden und aggressiven Kommentaren gegen eine Person oder Gruppe entfacht wird. Diese Kommentare enthalten häufig diskriminierende und erniedrigende Inhalte. Im Zusammenhang mit gewaltsamen oder diskriminierenden Handlungen im digitalen Raum wird auch von Hassverbrechen (Hate Crime) gesprochen, die durch Hass oder Verachtung motiviert sind und gezielt darauf abzielen, Personen oder Gruppen auszugrenzen.
Darüber hinaus können auch scheinbar harmlose Inhalte wie Memes rassistische Untertöne tragen. Solche Bilder oder Videos, die oft als humoristisch oder satirisch wahrgenommen werden, sind häufig mit Stereotypen aufgeladen und verstärken diskriminierende Denkmuster. So wird der digitale Raum zu einem Schauplatz, an dem Rassismus subtil oder offen verbreitet und verstärkt wird, was weitreichende negative Konsequenzen für die betroffenen Personen und die Gesellschaft hat.
Digitale Gewalt ist ein weit verbreitetes Phänomen, das viele Menschen in Europa betrifft. Eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2021, die im Auftrag von HateAid und der Landecker Digital Justice Movement durchgeführt wurde, zeigt, dass 50 % der europäischen Bevölkerung bereits Erfahrungen mit digitaler Gewalt gemacht haben. Dies unterstreicht die Dringlichkeit, das Thema stärker in den Fokus zu rücken.
Eine weitere Studie von HateAid aus dem Jahr 2023 liefert spezifische Einblicke in die Situation in Deutschland. Bei einer Stichprobe von 3368 Personen, darunter 1867 junge Menschen im Alter von17 bis 27 Jahren, gaben 63,1 % an, selbst Zeug*innen digitaler Gewalt geworden zu sein. Gleichzeitig berichteten 29,6 % der Befragten, dass sie selbst Opfer solcher Gewalt waren.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass digitale Gewalt nicht nur ein individuelles, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellt, das alle Menschen betrifft und dringend adressiert werden muss.
Die Bekämpfung von Rassismus als globalem Phänomen wird auf internationaler und regionaler sowie nationaler Ebene intensiv vorangetrieben. Einen grundlegenden Rahmen bildet die UN-Anti-Rassismuskonvention, die 1965 als “International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination” (ICERD) verabschiedet wurde. Sie verpflichtet die Vertragsstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um Rassendiskriminierung zu verhindern, und zielt auf die Förderung der Gleichheit aller Menschen ab. Deutschland hat die Konvention 1969 ratifiziert und damit eine Verpflichtung übernommen, ihre Bestimmungen umzusetzen. In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen eingeführt bzw. Gesetzen erlassen, auf die später eingegangen wird.
Auch auf europäischer Ebene existieren wichtige rechtliche Grundlagen wie die Anti-Rassismusrichtlinie (2000/43/EG). Diese verlangt von den Mitgliedstaaten, effektive Maßnahmen gegen Rassismus und Diskriminierung zu ergreifen und die Gleichbehandlung von Menschen unabhängig von Rasse oder ethnischer Herkunft sicherzustellen. Deutschland hat diese Richtlinie in nationales Recht umgesetzt, u.a. durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das AGG schützt nicht nur vor Diskriminierung aufgrund von Rasse und ethnischer Herkunft, sondern auch wegen Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter und sexueller Identität. Konkret untersagen §§ 7 und 19 AGG jegliche Benachteiligung, während §§ 15 und 21 AGG Betroffenen rechtliche Mittel einräumen, um sich gegen Diskriminierung zu wehren. Mit der Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (§ 25 AGG) steht außerdem eine zentrale Anlaufstelle zur Verfügung, die Unterstützung und Hilfe bietet.
Ein weiteres zentrales rechtliches Instrument zur Bekämpfung von Rassismus und Gewalt im digitalen Raum ist das 2017 eingeführte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Dieses Gesetz zielt darauf ab, Hasskriminalität, strafbare Falschnachrichten und andere rechtswidrige Inhalte wie Hasskriminalität, Beleidigungen, üble Nachrede und Volksverhetzung in sozialen Netzwerken zu bekämpfen. Anbieter*innen von sozialen Netzwerken sind verpflichtet, ein wirksames Beschwerdemanagement einzurichten und strafbare Inhalte zu löschen. Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder von bis zu fünf Millionen Euro gegen Einzelpersonen oder bis zu 50 Millionen Euro gegen Unternehmen. Mit der Gesetzesänderung von 2021 wurden die Rechte der Nutzer*innen gestärkt: Sie können nun Auskunftsansprüche geltend machen und gegen Rassismus und Gewalt im Internet vorgehen.
Ergänzend hierzu trat am 1. Dezember 2021 das Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz (TDDDG) in Kraft. Damit wird in Verbindung mit dem NetzDG ermöglicht, eine gerichtliche Anordnung zur Auskunftserteilung (§ 21 TDDDG) zu beantragen, um die Durchsetzung von individuellen Rechten zu erleichtern, wenn verdächtige Straftaten vorliegen.
Außerdem spielt das Strafgesetzbuch (StGB) eine entscheidende Rolle bei der Verfolgung digitaler Straftaten. So sieht beispielsweise § 130 StGB (Volksverhetzung) für Hassreden im Netz Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen vor.
Diese rechtlichen Rahmenbedingungen bilden eine solide Grundlage, um gegen rassistische Anfeindungen und digitale Gewalt vorzugehen und diese konsequent zu verfolgen. Dabei bleibt die zentrale Frage: Was genau gilt als Straftat im Internet? Darüber bietet HateAid einen hilfreichen Überblick. Die bestehenden Regelungen zeigen, dass Deutschland und die internationale Gemeinschaft kontinuierlich daran arbeiten, den digitalen Raum sicherer und diskriminierungsfreier zu gestalten. Sie schaffen nicht nur eine klare rechtliche Grundlage, sondern geben den Opfern von digitaler Gewalt auch Hoffnung und die Möglichkeit, sich effektiv zu wehren. Durch die konsequente Verfolgung von Straftaten und die Stärkung der Rechte der Betroffenen wird deutlich signalisiert, dass Täter*innen sich nicht mehr im vermeintlichen Schutz der Anonymität des Internets verstecken können. Sie können aktiv verfolgt und zur Verantwortung gezogen werden, was einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Gerechtigkeit und Chancengleichheit leistet.
Esaie Kouame